Thomas “Schnulli” Koppelberg

29.01.1957 – 04.10.1998

Vor 25 Jahren, am 04.10.1998 starb Thomas Koppelberg, auch bekannt als “Schnulli Pötterbote”, viel zu jung mit gerade einmal 41 Jahren. Neben vielem Anderen – Szene-Original, Musiker, begnadeter Villon-Interpret – war er Mitbegründer, langjähriger Schauspieler und Namensgeber unseres Hauses.

An dieser Stelle wollen wir an ihn erinnern, mit den Bildern oben und einem Text, den Bov Bjerg anlässlich der Beerdigung verfasst hat und den wir mit freundlicher Genehmigung des Autors hier wiederveröffentlichen.

Mama macht dir Liebes ganz viel Pudding und auch Bier

Die Beisetzung von Thomas “Schnulli” Koppelberg in Essen-Steele

Der Sarg ist viel zu kurz und viel zu hoch. – Särge sind immer viel zu kurz und viel zu hoch. Und immer furchtbar häßlich. Immer dieses Klobige. Wohnzimmerschrankwand, eichenfurniert. – Daneben eine Gitarre aus Blumen, ein Rednerpult. Daß Koppelberg nicht bestechlich gewesen sei, sagt der Mann in der schwarzen Lederjacke, weder durch Geld noch durch Ruhm. Der klagende Singsang enttarnt ihn als Pastor. Die Einsegnungshalle ist viel zu klein.

Sechs hagere, steinalte Männer stehen am Grab. Schwarze Zylinder über Leichenbittermienen. Sie seilen den Sarg in die Grube ab. Nehmen die Röhren vom Kopf, halten sie waagrecht vor den Bauch und verneigen sich simultan. Die weißen Handschuhe werden abgestreift, sie wandern von Hand zu Hand bis zum Dienstältesten, der wirft sie hinunter.

Plötzlich steht er da, am Rand seines eigenen Grabes, und äfft seine Sargträger nach. Zieht die Mundwinkel nach unten bis zum Schlüsselbein: der Gram. Wirft das Kinn nach oben: die Würde. Zuckt, während er imaginäre Handschuhe abstreift, mit den Nasenflügeln: die Pietät.

So spielte er den vorgeblichen Amtsarzt in der Irrenhauskomödie “Zwei Drittel spielt verrückt”. Und den Ausrufer, den Erzähler zwischen den Szenen. Den, der am Schluß des Stückes sang: “Wenn ich hier jetzt raus komm, wo gerat ich rein? Wir gehn alle zusammen raus, und doch geht jeder für sich allein.”

Einzeln treten wir ans Grab. Der Sargdeckel ist kaum noch zu sehen. Hier, diese Rose ist von Hans, und die da soll ich dir von Uwe bringen. Nee, Schnulli, äff´ mich jetzt bitte nicht nach, sonst muß ich noch lachen. Ich mach doch schon so undramatisch wie´s geht. Hier, das da ist von mir. Nein, ich fall schon nicht rein.

Auf dem Kiesweg Frauen, die die Zähne zusammenbeißen. Harte Szenemänner mit roten, verheulten Gesichtern. Wie viele Jahre hat er eigentlich Villons “Testament” gespielt? Im Kreuzberger Hoftheater, später im Acud. Auf Tour in ganz Deutschland. Wie viele Revolutionen hat er eigentlich damit ausgelöst? Was, keine? Und Kopulationen? Na also. Weinflaschen kreisen. Erinnert ihr euch an den Schluß? “Ein edler Falke biß ins Gras. Doch wißt ihr, wie er sich empfahl? Vom Roten trank er noch ein Glas, eh er verließ dies Jammertal.”

Freitagnachmittag auf dem Friedhof in Essen-Steele. Anfang der Woche, am 4. Oktober, ist Thomas Koppelberg an Krebs gestorben, 41 Jahre alt. Das ist “kein Alter”, sagen die einen. Die andern sagen, daß er für zwei gelebt hat, wenn nicht für drei. Jetzt ist er begraben. Und die, die übrig bleiben, können sich nur noch an die Erinnerung und an seine Platten halten: “Ich reim euch was ins krumme Kreuz, ich sing euch was ins Hemd, bis ihr Rotz und Wasser heult und endlich euren Wert erkennt.”

Bov Bjerg, 1998